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Die Luft war stickig, was wahrscheinlich daran lag, dass es hier kein einziges Fenster gab. Anna zog die Nase kraus. Normalerweise benutzte sie den Aufzug, doch der war im Moment außer Betrieb wegen Wartungsarbeiten. Es war schon schlimm genug, dass sie nach ihren Überstunden jetzt auch noch sechs Stockwerke zu Fuß hoch rennen musste, zu ihrem Pech in High Heels. Dabei auch noch Luft einzuatmen, die roch als hätten mehrere Penner ihre betrunkenen Blasen hier entleert machte die Sache nicht besser. Mit einem dumpfen Knall fiel die schwere Tür des Treppenhauses hinter Anna ins Schloss und schnitt gnadenlos die Zufuhr an frischer Luft ab. Einen Moment zog sie es ernsthaft in Erwägung die Auffahrten des Parkhauses hoch zu laufen, doch ihre Schuhe würden ihr dabei einen Strich durch die Rechnung machen. Außerdem wäre sie schneller, wenn sie die Treppe nahm und sie wollte endlich nach Hause. Anna erklomm entschlossen die ersten Stufen, als die Lampe über ihr begann auf entmutigende Art und Weise zu flackern. Es erinnerte ein wenig an das schwache Zittern eines Schmetterlingsflügels, dessen Besitzer im Sterben lag. Erst geschah nichts und dann zuckte das Licht der Lampe, als wäre es das letzte verzweifelte Aufbäumen eines Todgeweihten. „Nur bis ich oben bin, dann kannst du meinetwegen den Geist aufgeben.“ Beschwor sie die Leuchte und überlegte wie viel Licht ihr blieb, falls diese tatsächlich ausfiel. Es gab noch ein Lampe, doch das war etwas weiter oben abgebrachte. Anna wollte keine drei Stockwerke im zwielichtigen Halbdunkel zurücklegen. Unwillkommene Erinnerungen an die Horrorfilme die sie sich früher mit ihren Freunden angesehen hatte, schwammen durch ihr Unterbewusstsein und kamen in hässlichen Stücken an die Oberfläche. „Schwachsinn!“ murmelte Anna. Sie war eine erwachsene Frau und kein Teenager mit Zahnspange, der sich vor Zombies fürchtete. Und das hier war nur ein schlechtbeleuchtetes Parkhaus und kein Friedhof voller wandelnder Untoter! Dass sie ein wenig schneller ging als vorher lag auch nur daran, dass sie möglichst schnell nach Hause wollte. Anna hatte gerade den zweiten Stock erreicht als die Lampe über ihr ein letztes Mal flackerte und dann mit einem sanften ´Blopp` aus dem Leben schied. Unwillkürlich zuckte Anna zusammen. Es war zwar nicht ganz dunkel geworden aber sie musste einen Moment stehen bleiben, weil sie die verdreckten Stufen nicht mehr erkennen konnte. „Vielen Dank“ fauchte sie und zwang ihre lächerliche Angst zurück. Sie würde nicht... Ein Geräusch ließ sie erneut zusammenzucken, während ihr Herz in einen erschrockenen Galopp fiel. War das ein Schritt gewesen? Oder doch nur ein Rascheln? Es hatte sich angehört, als käme es von unten, aber da war niemand außer ihr gewesen. Und es wäre ihr mit Sicherheit aufgefallen, wenn außer ihr noch jemand das Treppenhaus betreten hätte. Die Tür war schwer und hatte erbärmlich in ihren Angeln gequietscht, als sie bewegt wurde. Anna rief sich zur Ordnung und atmete tief durch. Sie war allein hier, und sie war einfach etwas überspannt, das war alles. Sie würde jetzt weitergehen und zusehen, dass sie endlichnach Hause kam. Hätte sie vorhin nur nicht an umherwandelnde Untote gedacht! Mit mühsam erzwungener Ruhe ging sie weiter und versuchte den Geruch zu ignorieren, der ihr immer schlimmer in die Nase stieg. Mittlerweile roch es nicht mehr nur nach Pisse, sondern eher süßlich, faul und Anna wurde ein wenig übel davon. Als Kind hatte sie beim Spielen auf dem Bauernhof ihrer Großmutter einmal eine tote Katze auf dem Heuboden gefunden. Das Tier war bereits halb verwest gewesen und Anna hatte sich ins Heu übergeben müssen vom dem bestialischen Gestank. Sie hatte schon ewig nicht mehr an diesen unglücklichen Vorfall gedacht, aber der Geruch der hier herrschte brachte ihn vom Abstellgleis der Erinnerungen zurück. Die Katze hatte ganz ähnlich gerochen wie dieses Treppenhaus, da war Anna sich sicher. Es war nicht eben nützlich sich ausgerechnet jetzt solche Gedanken zu machen, also entschied sie sich an etwas schönes zu denken. An ihren letzten Urlaub zum Beispiel. An das karibische Meer, die Sonne, die Drinks an der Bar, an den Ausflug bei dem... War da wieder ein Geräusch gewesen? Plötzlich schlug Anna das Herz bis zum Hals und nichts erschien ihr weiter entfernt als Sonne und Wärme. Diesmal war sie sicher etwas gehört zu haben, ein Schleifen oder Schaben und dann ein...ein Flüstern? Mittlerweile hatte sie das vierte Stockwerk erreicht und blickte verunsichert über das Geländer in die Dunkelheit unter sich. Hatte sich dort gerade etwas bewegt? Und sollte es dort tatsächlich so finster sein, nur weil eine Lampe ausgefallen war? Das kam Anna irgendwie...falsch vor. „Anna du bist wirklich eine dumme Kuh!“ beschimpfte sie sich selbst und ging weiter. Sie hatte dort unten nichts gesehen, und auch nichts gehört! Weil da eben nichts war! Sie war allein in diesem gottverdammten Treppenhaus, das mittlerweile schlimmer stank als die tote Katze. Als sei etwas anderes hier gestorben und verwest... Anna gab sich selbst einen Klaps gegen die Stirn und rief sich zur Ordnung. Sie würde jetzt in aller Ruhe weitergehen, ohne den Kopf zu verlieren. Wahrscheinlich gab es hier Überwachungskameras, auch wenn sie noch keine gesehen hatte und der Pförtner des Parkhauses, den sie ebenfalls noch nicht gesehen hatte lachte sich in seinem Kabuff halb tot über sie. Entschlossen sich nicht von ihrer überdrehten Phantasie ins Boxhorn jagen zu lassen ging sie weiter als die Lampe zwei Stockwerke über ihr , die einzige verbliebene Lichtquelle, plötzlich ebenfalls zu flackern begann. Das kann doch nicht wahr sein, dachte Anna. Das konnte ja schon fast kein Zufall mehr sein... Eine Gänsehaut krabbelte über Annas ganzen Körper und hinterließ einen furchtbaren Hauch von Kälte. Einer Kälte an die sie sich immer wieder erinnern würde. Wenn sie ihr Auto erreichte würde sie die Heizung auf die höchste Stufe stellen und das Radio so laut drehen, dass es sie fast ihr Gehör kostete. Dann würde sie jedenfalls keine seltsamen Geräusche mehr hören und auch nicht mehr frieren. Annas Schritte beschleunigten sich ganz wie von selbst und trotz ihrer hohen Absätze spurtete sie geradezu die Stufen zum fünften Stock hoch. Einen Moment spielte sie mit dem Gedanken das Parkhaus schon ein Deck früher zu verlassen, doch das wäre einfach zu albern... Da! Da war es schon wieder! Annas Herz schlug schmerzhaft in ihrer Brust und ihr Magen verwandelte sich in einen kalten, verkrampften Knoten. Sie war sich sicher ein wortloses Flüstern gehört zu haben, ein Wispern und ein Schleifen. Es weckte die unangenehme Assoziation an einen Körper der über den Steinboden gezogen wurde. Vielleicht war es aber auch nur eine der Türen zum Parkhaus, die nicht richtig verschlossen war und die der Wind bewegte... Aber natürlich! Die Tür deren Öffnen Anna einiges an Kraft abverlangt hatte wiegte sich jetzt sanft im Wind! Instinktiv rückte Anna sich ein wenig näher an die Wand als könne die ihr Schutz bieten, und ging mit wild pochendem Herzen weiter. Es waren nicht mehr viele Stufen, die sie vom ihrem Parkdeck trennten und dennoch kam es ihr vor, als wäre es Kilometer entfernt. Sie fühlte sich als hätte jemand Blei in ihre Beine gegossen. Wahrscheinlich war es ihre eigene Angst die sie fest hielt und es ihr schier unmöglich machte zu laufen. Eine unbedachte Bewegung und was auch immer dort in der Dunkelheit lauerte würde seinen Platz verlassen und sich auf sie stürzen......... Anna wollte nicht so denken, doch ihr fehlte die Kraft diese Gedanken abzuschütteln, sie hockten an ihr wie Kletten. Alle rationalen Überlegungen verloren sich im zuckenden Schein der Lampe. Später würde sie darüber lustig machen, die Geschichte ein wenig ändern und sie ihren Freunden erzählen, damit die auch etwas zum lachen hatten. Später würde sie sich gar nicht mehr vorstellen können, dass sie sich in einem dunklen Treppenhaus fast in die Hosen gemacht hatte. Falls es ein später gab... Wieder hörte sie die Schleifen und diesmal entfuhr Anna fast ein Schrei. Das Geräusch war plötzlich viel näher! Annas Atem ging schneller und zwischen ihren Brüsten entstanden kleine Schweißperle. Das Herz schien ihr geradewegs aus dem Hals krabbeln zu wollen, während das Blut in ihren Ohren rauschte. Sie musste weg, einfach nur die Treppe hinauf nur noch ein paar Stufen, also nichts was nicht zu bewältigen wäre...... Aber statt dessen starrte sie über das Treppengeländer in die Dunkelheit die sich unter ihr erstreckte. In der sich etwas zu bewegen schien, in der etwas huschte.. und wogte... Oder spielten ihre Augen ihr einen Streich? Natürlich taten sie das, es gab keine seltsamen Dinge in der Dunkelheit. Und weil dort nichts war, war es unnötig hier zu stehen wie ein verängstigtes Kind. Und wenn dort doch etwas war, dann war es nicht nur unnötig hier herumzustehen, sondern auch gefährlich. Anna wäre trotz dieser lobenswert logischen Überlegung wahrscheinlich bis in alle Ewigkeit dort geblieben und hätte vor sich hin gestarrt. Erst ein Stöhnen direkt neben ihrem Ohr riss sie aus ihrer Starre. Diesmal war das Geräusch so laut und nah gewesen, dass sie es nicht ignorieren konnte. Es war ein flehendes Wimmern, ein schmerzhafter Atemzug, ein gieriges Schmatzen, all das auf einmal und darum um so erschreckender. Es brachte sie hinter den lähmenden Schrecken, dorthin wo sie wieder die Kontrolle über sich selbst hatte und handeln konnte. Anna wirbelte auf ihren dünnen Absätzen herum und hastete die Stufen hinauf.