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Die Reichsstadt Augsburg gehörte zu den großen Reichsstädten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation*, die außer dem Kaiser keinen Herren über sich hatten. Allerdings war der Kaiser keineswegs nur ein symbolisches Stadtoberhaupt, sondern nahm durchaus gezielt Einfluss auf die inneren Belange. Er erhob zum Beispiel Familien in den Adelsstand oder veränderte die Besetzung der Räte (M 3). Dennoch bestimmte die Stadt ihre politisch-sozialen Angelegenheiten weitgehend selbst, da mit ihrer Stellung als Reichsstadt eine Reihe von besonderen Autonomierechten verbunden war: So konnten reichsunmittelbare Kommunen Steuern erheben, eine eigene Verwaltung errichten und Gesetze erlassen; sie besaßen die Gerichts- und Wehrhoheit und durften Bündnisse eingehen. Augsburg zählte neben Frankfurt, Regensburg und dem nicht reichsunmittelba-ren Leipzig auch zu den Legstädten des Reiches, das heißt: Die Stadt finanzierte die oft nur schleppend eingehenden Reichssteuern vor und hielt dadurch die Funktionsfähigkeit des Reichsfinanzsystems aufrecht. Wie andere Reichsstädte vergab auch Augsburg direkt Kredite an den Kaiser (in den Jahren zwischen 1604 und 1608 betrug das Kreditvolumen insgesamt über 70000 Gulden) und sicherte sich auf diese Weise Mitsprache bei Entscheidungen, die die Stadt unmittelbar betrafen. Diese Finflussmöglichkeit nahm jedoch nach dem Dreißigjährigen Krieg und mehr noch im 18. Jahrhundert ab. Denn viele der alten Reichsstädte, unter ihnen auch Augsburg, hatten mit Wirtschaftsproblemen zu kämpfen (M 1). Die politische Bedeutung Augsburgs wird dadurch unterstrichen, dass hier wie auch in den übrigen süd- und südwestdeutschen Reichsstädten wie Worms, Spey-er, Nürnberg oder Regensburg im 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Reichstage abgehalten wurden. Seit 1663 tagten die Reichsstände als „Immerwährender Reichstag" dauerhaft in Regensburg. Die Reichsstädte verloren während der Frühen Neuzeit an Gewicht gegenüber den Residenzstädten, die mit dem landesfürstlichen Hof zu Hauptstädten der Fürstentümer aufstiegen. Der Stern des „Goldenen Augsburg" verlor seit dem 17. Jahrhundert an Glanz, während München zur „leuchtenden" Residenzstadt aufstieg. Residenzstädte waren auch Würzburg und Bamberg. Andere Residenzstädte wie Salzburg, Mannheim oder Wien gewannen ebenfalls an Gewicht. In ihnen fielen die politischen Entscheidungen und konzentrierten sich Bürokratie, Garnisonen sowie kulturelle Einrichtungen wie Akademien, Universitäten und Theater. Dass die Residenzstädte die großen Gewinner des frühneuzeitlichen Strukturwandels der Städtelandschaft wurden, hing mit der Geschichte des frühmodernen Staates** zusammen. Die Entstehung des modernen Territorialstaates mit zentralen Behör-den, einem geschlossenen Staatsgebiet und einem einheitlichen Staatsvolk begann im spätmittelalterlichen Deutschland nicht auf der Ebene des Reiches. Sie begann vielmehr in den Landesfürstentümern, wie z. B. Württemberg oder Bay-ern. Und diese Entwicklung beschleunigte sich in der Frühen Neuzeit. Gesellschaftliches Leben In der frühneuzeitlichen Stadt war der Einzelne eingebunden in die verschiedensten Gruppen, die sich durch ihre jeweiligen Rechte und Privilegien unterschieden. Jede Gruppe, jeder Stand besaß ein Eigenleben, das ihm von allen anderen zugebilligt wurde. An der Spitze der politisch-sozialen Hierarchie stand der Stadtadel, das Patriziat, dem die selbstbewussten „Alten Geschlechter" bzw. die alten Familien (Honoratioren) an gehörten. Sie besetzten die städtischen Ämter und hielten die politische und wirt schaftliche Macht in ihren Händen. Zur Führungsschicht zählten auch die hohen Kleriker. Die Kaufmannschaft, hohe Beamte und Akademiker bildeten ebenfalls die tonangebende sogenannte Ehrbarkeit. Das breit gefächerte Handwerk sowie die Kleinkaufleute, mittlere Beamte und Angestellte der Stadt wie Lehrer oder Gerichtsdiener bildeten auch in Augsburg die politisch machtlose Mittelschicht. Die Unterschicht setzte sich aus Lohnarbeitern, Fuhrleuten, unehrlichen Berufen - z. B. Henker, Abdecker, Straßenkehrer oder Totengräber -, Transportarbeitern und Dienstboten zusammen. Die Grenze zu den Armen der Stadt und Zu Bettlern war fließend. Diese Menschen besaßen keinerlei politische oder soziale Macht (M 3). Augsburg war seit Mitte des 16. Jahrhunderts eine gemischtkonfessionelle Reichs-stadt, in der eine große Mehrheit von Protestanten einer Minderheit von Katholiken gegenüberstand. Die Besonderheit der Bevölkerungsstruktur führte zu teilweise heftigen innerstädtischen Konflikten, die erst mit dem Westfälischen Frieden eingedämmt bzw. beendet werden konnten (M4). Finanz- und Handelsmetropole Vom 15. bis zum 17. Jahrhundert war Augsburg Handelsmetropole wichtigster Finanzplatz und bedeutendstes Handelszentrum Mitteleuropas. Dass die Stadt in dieser Zeit so etwas wie die wirtschaftliche Hauptstadt des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation werden konn-te, verdankte sie ihren großen Handelshäusern, denen der Welser oder der Hochstetter, allen voran aber dem der Fugger* (M 2, M 5, M 6). Der Aufstieg der Familie Fugger beruhte auf mehreren Voraussetzungen: Sie waren erfolgreiche frühkapitalistische Unternehmer, die sich nicht nur im Warenhandel sowie im Bank- und Wechselgeschäft betätigten, sondern auch Beteiligungen an Bergwerken besaßen, die ihnen den Handel mit Kupfer und Silber erlaubten. Die Fugger pflegten auch enge Beziehungen zur Politik. Zudem verdienten sie kräftig am Ablasshandel mit, bei dem die Kirche dem Käufer eines Ablasszettels den Erlass von Sündenstrafen und die Erlangung der Gnade Christi versprach. Verlagerung der Finanz-und Handelsströme Die Blütezeit des Handels in den süddeutschen Städten endete im Laufe des 17. Jahrhunderts, weil sich der Handel immer mehr vom Mittelmeer und Oberitalien (Venedig, Genua, Mai-land, Florenz) in den atlantischen Raum zwischen Amerika, Afrika und Europa verlagerte. Das bekamen auch die Fugger zu spüren, deren handelspolitische Aktivitäten sich im Mittelmeerraum konzentrierten (M 6). Augsburg rückte damit gewissermaßen vom Zentrum an die Peripherie: Die Stadt blieb auch weiterhin ein Tor nach Italien, aber die europäischen Verbindungen nach Westen - etwa Hamburg, Amsterdam, Lissabon - wurden zunehmend wichtiger. Außerdem trug der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) zum wirtschaftlichen Bedeutungsver-lust Augsburgs und der Fugger bei. Die Stadt erholte sich wie auch die übrigen süddeutschen Städte nur schwer von den demografischen und wirtschaftlichen Folgen dieses schrecklichen Religions- und Bürgerkrieges.