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11. Er antwortet auf diese Stellen, Gott wolle nicht immer das, was er befiehlt, wie damals, als er Abraham das Gebot gab, seinen Sohn zu opfern; und sein geoffenbarter Wille sei nicht immer sein ganzer Wille oder sein Entschluß, wie sich zeigte, als er Jonas offenbarte, Ninive würde in 40 Tagen untergehen. Auch fügt er hinzu, wenn gesagt werde, Gott wolle aller Heil, so habe dies nur zu bedeuten, daß Gott den Befehl gebe, alle Menschen sollen das tun, was zu ihrer Rettung notwendig ist: und wenn die Heilige Schrift sage, Gott wolle die Sünde nicht, so bedeute dies nur, daß er sie bestrafen will. Und was die übrigen Stellen anbelangt, so schreibt sie Herr Hobbes menschlicher Ausdrucksweise zu. Man kann ihm jedoch entgegenhalten, es sei Gottes nicht würdig, daß sein geoffenbarter Wille seinem wirklichen Willen entgegengesetzt ist: was er den Bewohnern Ninives durch Jonas sagen ließ, war eher eine Drohung als eine Vorhersage, und dabei war also die Bedingung ihrer Unbußfertigkeit stillschweigend vorausgesetzt: faßten sie die Bewohner Ninives doch auch in diesem Sinne auf. Man kann auch sagen, daß Gott, als er Abraham befahl, seinen Sohn zu opfern, Gehorsam und durchaus kein Handeln wollte, das er verhinderte, als er den Gehorsam erhalten hatte; denn dies war keine Handlung, die an sich selbst gewollt zu werden verdiente; daß es sich jedoch mit jenen Handlungen, die er positiv zu wollen erklärt, und die in der Tat würdige Gegenstände seines Willens sind, ganz anders verhält. Dies ist der Fall mit der Frömmigkeit, der Nächstenliebe und mit jeder von Gott gebotenen tugendhaften Handlung; dies ist der Fall mit dem Verbot der Sünde, die von der göttlichen Vollkommenheit weiter als alles andere entfernt ist. Man tut also unvergleichlich besser daran, den Willen Gottes so aufzufassen, wie wir es in jenem Werke getan haben: und somit sagen wir, daß Gott infolge seiner überlegenen Güte zuerst eine ernste Neigung besitzt, alles Gute und jede lobenswerte Handlung zu erzeugen oder erzeugt zu sehen, alles Böse und jede schlechte Handlung dagegen zu verhindern oder scheitern zu sehen: daß er jedoch durch diese nämliche Güte, im Verein mit einer unendlichen Weisheit und durch die Mitwirkung aller vorangehenden Sonderneigungen zu jedem Gut und zur Verhinderung jedes Übels bestimmt werde, den bestmöglichen Plan der Dinge hervorzubringen; was seinen endgültigen und beschlußkräftigen Willen ausmacht: und da dieser Plan des Besten von einer solchen Beschaffenheit ist. daß das Gute dar- in, wie das Licht durch den Schatten, durch einiges Übel, welches unvergleichlich geringer ist als dieses Gute, noch mehr hervortreten soll, so konnte Gott dieses Übel keineswegs ausschließen oder gewisse, in diesen Plan nicht einbegriffene Güter anführen, ohne seiner höchsten Vollkommenheit Abbruch zu tun. Deswegen muß man sagen, daß Gott die Sünde anderer erlaubt hat, weil er sonst etwas Schlimmeres getan hätte als alle Sünden der Kreaturen zusammengenommen. 12. Ich finde, der Bischof von Derry hat zum mindesten Recht, in Art. 15 seiner Replik, S. 153, zu betonen, daß die Ansicht seiner Gegner mit Frömmigkeit unverträglich sei, wenn sie alles auf Gottes Macht allein zurückführen, und daß Herr Hobbes nicht sagen dürfe, die Verehrung oder der Kultus sei bloß ein Zeichen der Macht dessen, den man ehrt, da man außerdem auch seine Weisheit, Güte, Gerechtigkeit und seine andere Vollkommenheit erkennen und ehren kann und muß. Magnos facile laudamus, bonos libenter. 139 Daß diese Meinung, welche Gott jeder wahren Güte und Gerechtigkeit beraubt, welche ihn als einen Tyrannen hinstellt, der da eine absolute, von allem Recht und aller Billigkeit unabhängige Macht anwendet und Millionen von Kreaturen erschafft, um sie für alle Ewigkeit unglücklich zu machen, und dies aus keinem anderen Grunde als um seine Macht zu beweisen; daß diese Meinung, sage ich, die Menschen sehr schlecht zu machen imstande ist, und daß sie, wenn sie anerkannt würde, jeden anderen Teufel in der Welt entbehrlich machte, um die Menschen untereinander und mit Gott zu entzweien, wie es die Schlange tat, als sie Eva zu dem Glauben brachte, Gott habe nicht ihr Wohl vor Augen gehabt, als er ihr die Frucht des Baumes verbot. In seiner Duplik versucht Herr Hobbes (S. 120) diesen Schlag zu parieren und erklärt, die Güte sei ein Teil der göttlichen Macht, d. h. sie sei die Macht, sich liebenswert zu machen. Aber das heißt, durch eine falsche Ausflucht mit Worten Mißbrauch treiben und das in einen Topf werfen, was man auseinanderhalten muß; und wenn Gott nicht das Wohl der mit Verstand begabten Kreaturen vor Augen hatte, wenn er keine anderen Prinzipien der Gerechtigkeit besäße als sein bloßes Vermögen, das was der Zufall ihm bietet willkürlich oder das Mögliche notwendig, ohne eine auf dem Gute beruhende Wahl, © Felix Meiner Verlag 1996 | 10.28937/978-3-7873-2692-1 | 978-3-7873-2692-1 | Johannes-Gutenberg-Universität Mainz | 31.05.2022 416 Anhang hervorzubringen, wie könnte er sich da eigentlich noch liebenswert machen? Es ist dies also jene die Frömmigkeit zerstörende Doktrin von der blinden Allmacht oder von dem Vermögen, willkürlich zu handeln: die eine zerstört das intelligente Prinzip oder die göttliche Vorsehung, die andere schreibt ihm Handlungen zu, die nur mit einem bösen Prinzip verträglich sind. Die Gerechtigkeit in Gott, sagt Herr Hobbes (S. 161), ist nichts weiter als seine Macht, die er ausübt, wenn er Wohltaten und Unglück austeilt. Diese Definition überrascht mich, denn: nicht die Macht sie auszuteilen, sondern der Wille, sie mit Vernunft auszuteilen, d. h. die durch Weisheit geleitete Güte stellt die göttliche Gerechtigkeit dar. Aber, sagt er, für Gott bedeutet doch Gerechtigkeit nicht dasselbe wie für einen Menschen, der nur gerecht ist, wenn er die durch seinen Herrn gegebenen Gesetze einhält. Auch hierin täuscht sich Herr Hobbes, ebenso wie Herr Pufendorf, der ihm hierin beigetreten ist: die Gerechtigkeit hängt durchaus nicht von den willkürlichen Gesetzen der Regierenden, sondern von den ewigen Gesetzen der Weisheit und Güte ab. Das gilt für die Menschen ebenso wie für Gott. An derselben Stelle behauptet Herr Hobbes, die Gott zugeschriebene Weisheit bestehe nicht in einer logischen Untersuchung der zum Ziele führenden Wege, sondern in einem unbegreiflichen Attribut, das einer unbegreiflichen Natur zugeschrieben wird, um sie zu ehren. Er will allem Anschein nach sagen, sie sei etwas Unbestimmtes, das man einem unbestimmten Träger zuerteilt, und sogar eine chimärische Beschaffenheit, die einer chimärischen Substanz gegeben wird, um das Volk durch den Kult, den es ihm zuteil werden laßt, einzuschüchtern und an der Nase herumzuführen. Denn eigentlich kann Herr Hobbes schwerlich eine andere Meinung von Gott und seiner Weisheit haben, da er nur materielle Substanzen gelten läßt. Ware Herr Hobbes noch am Leben, so hatte ich ihm keine Ansichten zugeschoben, die ihm schaden könnten, aber es ist schwer, ihn davon freizusprechen: er hätte sich in der Folge vielleicht eines besseren besonnen, denn er hat ein hohes Alter erreicht, so daß ich hoffe, seine Irrtümer werden ihm nicht gefahrlich geworden sein. Aber da sie es für andere werden können, so ist es nützlich, denen, die einen Schriftsteller von im übrigen groi3en Verdiensten lesen, von dem man vielerlei lernen kann, War- nungen zuteil werden zu lassen. Zwar denkt Gott, streng genommen, nicht so wie wir, denn er braucht keine Zeit, um von einer Wahrheit zu einer anderen überzugehen: aber dadurch, daß er alle Wahrheiten und ihre Beziehungen auf einmal begreift, kennt er auch alle Folgen und besitzt eminenter alle Überlegungen, die wir anstellen können: aus diesem Grunde eben ist seine Weisheit vollkommen.