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4. Besser begründet ist die Abhandlung des Herrn Hobbes dort, wo er zugibt, daß unsere Handlungen in unserer Gewalt stehen, und zwar derart, daß wir tun, was wir wollen, wenn wir es können und uns nichts daran hindert; und wenn er trotzdem behauptet, daß sogar unsere Willensakte nicht in unserer Gewalt stehen, so daß wir uns nicht ohne Schwierigkeit und nach unserem Belieben Neigungen und Willensentschlüsse unseren Wünschen entsprechend geben können. Der Bischof scheint diesen Gedanken, den Herr Hobbes auch nicht deutlich genug ausführt, nicht beachtet zu haben. In Wahrheit haben wir auch über unsere Willensentschlüsse noch einige Gewalt, aber auf indirekte, nicht auf absolut indifferente Weise. Dies haben wir an mehreren Stellen unseres Werkes entwickelt. Endlich beweist Herr Hobbes, wie auch andere vor ihm, daß die Gewißheit und sogar die Notwendigkeit der Ereignisse, sofern sie in der Art der Abhängigkeit unserer Handlungen von Ursachen vorhanden ist, uns nicht daran hindern würde, von Erwägungen, Ermahnungen, Tadel und Lob, Strafen und Belohnungen Gebrauch zu machen, da sie die Menschen dazu nötigen, Handlungen zu vollziehen oder davon Abstand zu nehmen. Wenn die menschlichen Handlungen notwendig wären, so wären sie es also durch diese Mittel. Aber in Wahrheit sind diese Handlungen durchaus nicht absolut notwendig und diese Mittel verhelfen in jeder Hinsicht nur dazu, die Handlungen bestimmt und gewiß zu machen, wie sie es in der Tat sind, da sie ihrer Natur nach nicht absolut notwendig sein können. Er gibt auch eine ziemlich gute Vorstellung von der Freiheit, soweit sie in allgemeinem Sinne als allen vernünftigen und vernunftlosen Kreaturen gemeinsam aufgefaßt wird, wenn er sagt, eine Sache werde für frei gehalten, wenn die ihr zukommende Macht nicht durch eine äußere Sache gehemmt wird. Also hat das durch einen Deich zurückgehaltene Wasser zwar die Macht, aber nicht die Freiheit, sich auszubreiten: während es nicht die Macht hat, sich über den Deich zu erheben, obgleich es dann nichts an seiner Ausbreitung hindern würde und obwohl es sogar durch nichts Äußeres gehindert wird, so hoch zu steigen: dazu müßte es jedoch aus größerer Höhe kommen oder durch Hochwasser einen Zuwachs erhalten. So fehlt einem Gefangenen die Freiheit, einem Kranken aber das Vermögen, sich fortzubewegen. 5. In der Vorrede des Herrn Hobbes findet sich ein Abriß des strittigen Punktes, den ich hier mit kurzer Beurteilung anführen will. Einerseits (sagt er) behauptet man, 1. es stünde nicht in der augenblicklichen Macht des Menschen, sich den Willen zu wählen, den er augenblicklich haben soll. Das ist gut gesagt, besonders im Hinblick auf den gegenwärtigen Willen: die Menschen wählen die Gegenstände durch den Willen, sie wählen jedoch nicht ihren augenblicklichen Willen selbst; der stammt aus Gründen und Anlagen. Man kann ja allerdings neue Gründe suchen und sich mit der Zeit neue Anlagen geben; hierdurch vermag man sich einen Willen zu verschaffen, den man vorher nicht besaß und der sich auf einmal nicht geben ließ. Es verhält sich damit (um mich des von Herrn Hobbes selbst angewandten Vergleichs zu bedienen) wie mit Hunger oder Durst. Im Augenblick hängt es nicht von meinem Willen ab, Hunger oder Durst zu verspüren, allein es hängt von meinem Willen ab, zu essen oder nicht zu essen: in der Zukunft indessen hängt es von mir ab, zu einer bestimmten Stunde am Tage Hunger zu verspüren oder nicht, indem ich vorher esse. So ist man also oft in der Lage, schlechte Willensakte zu vermeiden: und wenn Herr Hobbes auch in seiner Replik Nr. 14, S. 138 behauptet, der Stil der Gesetze sei: dieses oder jenes sollst du tun oder lassen, es gäbe jedoch kein Gesetz, welches sage, du sollst es wollen oder nicht wollen; so täuscht er sich doch augenscheinlich hinsichtlich des göttlichen Gesetzes, das da besagt non concupisces; du sollst nicht begehren: allerdings hat dieses Verbot keine Beziehung auf die ersten, unwillkürlichen, Beweggründe. 2. Behauptet man, daß der Zufall (chance im Englischen, Casus im Lateinischen) nichts erzeugt, d. h. daß er nichts ohne Ursache oder Grund erzeugt. Ganz gut, dem pflichte ich bei, wenn die Rede von einem wirklichen Zufall sein soll. Denn Glück und Zufall sind bloße Täuschungen, die aus der Unwissenheit über die Ursachen, oder aus der Abstraktion von diesen Ursachen stammen. 3. Daßalle Ereignisse ihre notwendigen Ursachen haben. Schlecht: sie haben ihre bestimmenden Ursachen, durch die sie begründet werden können, aber sie haben keine notwendigen Ursachen. Das Gegenteil kann ohne Widerspruch eintreten. 4. Daß der göttliche Wille die Notwendigkeit aller Dinge geschaffen habe. Schlecht; der göttliche Wille erzeugt nur zufällige Dinge, die auch anders sein können, da Zeit, Raum und Materie sich zu jeder Gestalt und Bewegung gleichgültig verhalten. 6. Andererseits behauptet man (nach seiner Meinung), 1. daJ dev Mensch nicht bloß (absolute) Freiheit besitzt, das zu wählen, was er tun, sondern auch was er wollen will. Das ist schlecht gesagt. Man ist nicht absolut Herr über sein Wollen, so daß man ihn auf der Stelle ändern könnte, ohne sich dabei irgendeines Mittels oder Kunstgriffs zu bedienen. 2. Will der Mensch eine gute Handlung, dann ist der göttliche Wille dem seinigen konform, im anderen Falle nicht. Das ist gut gesagt, vorausgesetzt, man faßt es so auf, als wolle Gott keine schlechten Handlungen, wenn er auch die Absicht hat, sie zuzulassen, damit nicht noch etwas Schlimmeres eintritt als diese Sünden. 3. Daßder Wille wählen kann, ob er wollen will oder nicht. Schlecht, und zwar im Hinblick auf den augenblicklichen Willensakt. 4. Daß die Dinge ohne Notwendigkeit auf dem Wege des Zufalls geschehen. Schlecht: was ohne Notwendigkeit geschieht, geschieht darum noch nicht zufällig, d. h. ohne Gründe und Ursachen. 5. Wenngleich Gott voraussieht, ein Ereignis werde geschehen, so sei es nicht notwendig, daß es geschehe, denn Gott sieht die Dinge nicht in ihrer zukünftigen Gestalt und als aus ihren Ursachen entspringend voraus, sondern als unmittelbar gegenwärtig. Hier beginnt man gut und endet schlecht. Mit Recht gibt man die Notwendigkeit der Folge zu, man hat hierbei jedoch keinen Grund, auf die Frage zurückzugreifen, wie die Zukunft Gott gegenwärtig sei: denn die Notwendigkeit der Folgerung hindert durchaus nicht, daß das Ereignis oder die Folge an sich zufällig ist. 7. Nach Ansicht unseres Autors habe die von Arminius wieder aufgefrischte Doktrin, die in England vom Erzbischof Laud und vom Hofe begünstigt worden ist, so daß die bedeutenderen kirch- lichen Beförderungen stets im Sinne dieser Partei geschahen, zu dem Umsturz beigetragen, dem der Bischof und er selbst es verdankten, daß sie sich in ihrem Pariser Exil bei Mylord Newcastle begegneten und miteinander in Streit gerieten. Ich kann durchaus nicht alle Schritte des Erzbischofs Laud billigen. Er hat seine Verdienste und war vielleicht auch von gutem Willen beseelt, er hat aber die Presbyterianer zu sehr bedrückt. Indessen sind doch wohl die Revolutionen in den Niederlanden wie in Großbritannien zum Teil aus der großen Intoleranz der Strenggläubigen entstanden: und die Verteidiger des absoluten Dekretes sind mindestens ebenso streng verfahren wie die anderen, als sie in Holland ihre Gegner durch die Autorität des Prinzen Moritz unterdrückten und in England den Aufstand gegen König Kar1 I. nährten. Doch sind das Fehler der Menschen, nicht der Dogmen. Ihre Gegner haben sie auch nicht schonender behandelt, wie die in Sachsen gegen Nicolaus Crellius gezeigte Strenge und das Vorgehen der Jesuiten gegen die Partei des Bischofs von Ypern beweist.