Download Free Audio of 1. Da die Frage nach der Notwendigkeit und Freihei... - Woord

Read Aloud the Text Content

This audio was created by Woord's Text to Speech service by content creators from all around the world.


Text Content or SSML code:

1. Da die Frage nach der Notwendigkeit und Freiheit und dem, was davon abhängt, vor Zeiten zwischen dem berühmten Herrn Hobbes und dem Bischof von Derry, Herrn Jean Bramhall, in beiderseitigen Publikationen erörtert worden ist, so hielt ich es für richtig (obzwar ich diesen Streit schon mehr als einmal erwähnt habe), eine genaue Mitteilung davon zu machen, um so mehr als diese Schriften des Herrn Hobbes bis jetzt im Englischen nicht erschienen sind und weil alles, was aus der Feder dieses Autors stammt, Treffliches und Scharfsinniges zu enthalten pflegt. Der Bischof von Derry hatte sich mit Herrn Hobbes in Paris bei dem Marquis (dem späteren Herzog) von Newcastle im Jahre 1646 getroffen und dabei waren sie in einen Streit über diese Materie geraten. Dieser Disput wurde mit genügend Mäßigung geführt, aber etwas später richtete der Erzbischof an Herrn Newcastle ein Schreiben, in welchem er den Wunsch aussprach, er möge Herrn Hobbes zu einer Antwort veranlassen. Er antwortete, gab aber gleichzeitig seinem Verlangen nach keinerlei Veröffentlichung dieser seiner Antwort Ausdruck; da er glaubte, schlecht unterrichtete Personen könnten Lehrsätze wie die seinigen, so stichhaltig sie auch sein mochten, mißbrauchen. Indessen geschah es, daß Herr Hobbes seinerseits einem befreundeten Franzosen Mitteilung davon machte und es gestattete, daß ein junger Engländer sie für diesen Freund ins Französische übersetzte. Dieser junge Mann behielt eine Abschrift des englischen Originals für sich und veröffentlichte sie später ohne Wissen des Verfassers in England: dies zwang den Bischof zu einer Replik und nötigte Herrn Hobbes aufs neue zu antworten und die gesamten Belegstücke in einem 1656 zu London in Quart gedruckten Buche von 348 Seiten zu veröffentlichen. Das Buch hatte den Titel The questions concerning liberty, necessity and chance, clearly stated and debated between Dr. Bramhall, bishop of Derry and Th. Hobbes of Malmesbury. Es existiert noch eine spätere Auflage aus dem Jahre 1684 in einem Werke mit dem Titel: Hobbs's Trtpos, worin sich sein Buch über die menschliche Natur, seine Abhandlung über den Staatskörper und sein Traktat über die Freiheit und Notwendigkeit finden; doch enthält das letztere weder die Replik des Bischofs noch die Duplik des Verfassers. Herr Hobbes erörtert diesen Gegenstand mit seinem gewohnten Scharfsinn und seiner üblichen Subtilität: aber es ist schade, daß man sich auf beiden Seiten in mehrere kleine Schikanen verrannte, wie es der Fall zu sein pflegt, wenn man hitzig wird. Der Bischof spricht sehr heftig und anmaßend. Herr Hobbes ist seinerseits nicht gewillt, ihn zu schonen und bezeigt seine Verachtung der Theologie und der Schulausdrücke, an denen der Bischof zu hängen scheint, etwas zu stark. 2. Man muß zugeben, daß die Ansichten des Herrn Hobbes etwas seltsam und unhaltbar sind. Er will die Lehren über die Gottheit ganz von der Bestimmung des Souveräns abhängig machen, und Gott ist ihm ebensowenig die Ursache der guten wie der schlechten Handlungen der Kreaturen. Alles was Gott tut, soll gerecht sein, weil es über ihm niemand gibt, der ihn strafen und zwingen könnte. Indessen läßt er sich manchmal so aus, als ob alles, was man von Gott sagt, nur Komplimente wären, d. h. angebrachte Wendungen, um ihn zu ehren, nicht um ihn zu erkennen. Er gibt auch seiner Meinung Ausdruck, daß die Strafen der Bösen mit ihrer Vernichtung aufhören müßten: das wäre beinah die Ansicht der Sozinianer, doch scheinen die seinigen noch viel weitgehender zu sein. Seine Philosophie, welche die Körper allein zu Substanzen macht, scheint kaum der göttlichen Vorsehung und der Unsterblichkeit der Seele günstig zu sein. Nichtsdestoweniger äußert er sich über andere Gegenstände sehr vernünftig. Er zeigt sehr gut, daß es nicht aus reinem Zufall Geschehendes gibt, oder daß vielmehr der Zufall nur unsere Unwissenheit über die die Wirkung erzeugenden Ursachen bezeichnet, und daß es zum Zustandekommen eines jeden Effektes aller dem Geschehen voraufgehenden zureichenden Bedingungen bedarf, von denen augenscheinlich keine fehlen darf, wenn das Ereignis erfolgen soll, weil es Bedingungen sind; und daß das Ereignis erfolgen muß, wenn sie sich alle zusammenfinden, weil es zureichende Bedingungen sind. Das kommt auf jenen Satz hinaus, den ich so oft eingeschärft habe, daß alles aus zureichenden Gründen geschieht, aus deren Erkenntnis wir, wenn wir sie besäßen, gleichzeitig erkennen würden, warum die Sache eingetreten und warum sie nicht anders ausgegangen ist. 3. Aber die zu Paradoxien neigende Gemütsart dieses Autors, und die Sucht, anderen zu widersprechen, brachte ihn zu Konsequenzen in übertriebenen und gehässigen Wendungen, als geschähe alles durch eine absolute Notwendigkeit. Statt dessen bemerkt der Bischof von Derry in seiner Antwort auf den Artikel 35, S. 327 sehr treffend, daß daraus nur eine hypothetische Notwendigkeit folge, wie wir sie für alle Ereignisse in Beziehung auf das göttliche Vorherwissen annehmen, während Herr Hobbes will, daß sogar die göttliche Voraussicht allein zur Statuierung einer absoluten Notwendigkeit der Geschehnisse genüge, was auch die Ansicht Wiclifs und selbst Luthers war, als er De servo arbitrio schrieb, oder worüber sich wenigstens beide in dieser Weise ausdrückten. Aber man erkennt heute deutlich genug, daß jene sogenannte hypothetische Notwendigkeit, die aus dem Vorherwissen oder aus anderen vorangehenden Gründen stammt, nichts enthält, worüber man sich zu beunruhigen brauchte: während es sich ganz anders verhielte, wenn die Sache durch sich selbst notwendig wäre, derart, daß das Gegenteil einen Widerspruch involviert. Ebensowenig will Herr Hobbes von einer moralischen Notwendigkeit wissen, weil tatsächlich alles aus physischen Ursachen erfolge. Man hat jedoch allen Grund, einen großen Unterschied zu machen zwischen der Notwendigkeit, die den Weisen zwingt, gut zu handeln, der sogenannten moralischen, die sogar für Gott Gültigkeit hat, und zwischen jener blinden Notwendigkeit, auf Grund derer die Dinge nach Ansicht Epikurs, Stratons, Spinozas und vielleicht auch des Herrn Hobbes, vernunft- und wahllos und infolgedessen ohne Gott existieren, dessen Wirksamkeit man auch nach jenen Meinungen entbehren kann, da infolge dieser Notwendigkeit alles durch seine eigene Wesensbeschaffenheit ebenso notwendig besteht wie der Satz zwei plus drei ist fünf. Diese Notwendigkeit ist absolut, da alles, was sie mit sich führt, geschehen muß, was man auch tun möge: während das auf Grund einer hypothetischen Notwendigkeit Geschehende nur infolge der Voraussetzung eintritt, daß dies oder jenes vorhergesehen oder beschlossen war oder von vornherein getan worden ist; die moralische Notwendigkeit führt nur ei- nen Zwang aus Vernunftgründen mit sich, der bei dem Weisen niemals wirkungslos ist. Diese Art Notwendigkeit ist glücklich und wünschenswert, wenn man durch gute Gründe zu richtigen Handlungen getrieben wird; während die blinde und absolute Notwendigkeit die Frömmigkeit und Moral untergraben würde. t schonender behandelt, wie die in Sachsen gegen Nicolaus Crellius gezeigte Strenge und das Vorgehen der Jesuiten gegen die Partei des Bischofs von Ypern beweist.